Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin

Was gibt es Schöneres als einen Schulausflug? Kein Unterricht, kein „an die Tafel starren“, Mitschreiben und Konzentriert sein. Um 5:30 Uhr klingelt der Wecker. Diesmal bin ich kein Morgenmuffelchen, sondern freue mich – es geht nach Berlin. Und außerdem kann ich gleich im Bus weiterschlafen. Ich ernte ein paar komische Blicke, als ich mit meinem lila Kissen unterwegs bin und beim Bäcker in der Schlange stehe. Aber bei  fünf Stunden Busfahrt sind Kissen und Decke ein Must-Have.

Als ich in den Bus steige, ist es lauter als erwartet. Alle unterhalten sich aufgeregt. Jacke aus, hingesetzt und in meiner Decke eingekuschelt, würde ich am liebsten weiterschlafen, aber die Freude auf Berlin ist zu groß. Dann fahren wir, die Bank W+L 15 und die VS 15/3b, auch schon ab.

In Berlin angekommen, machen wir uns zu Fuß auf zur Deutsche Bank Filiale Q110 – die Filiale der Zukunft. Man erwartet High-Tech, noch nie Gesehenes und Innovationen. Das Erste, was meine Aufmerksamkeit erregt: ein Harrods-Popup-Store, mitten in der Filiale. Die Filiale ist auf den ersten Blick auch gar nicht als solche zu erkennen. Am Eingang ein Empfangsareal, das eher an ein Hotel erinnert, eine große Kaffeebar erstreckt sich auf der rechten Seite. Es sieht sehr einladend und gemütlich aus. In der Mitte der Filiale gibt es verschiedene loungeartige Inseln für Beratungsgespräche. Verschiedene Bücherregale, gefüllt mit Klassikern und Feel-Good-Literatur, stehen für die Gäste bereit. Ja, Ihr habt richtig gehört: Hier sagt man „Gäste“, nicht „Kunden“. Denn man möchte mit diesem Arrangement aus Kaffeelounge und einladenden Beratungsinseln erreichen, dass sich Kunden wie Gäste fühlen und die Verweildauer steigt.

Unser Guide durch die Zukunft der Bankberatung lädt uns ein das Gewächshaus zu besichtigen. Hier wurde ein Raum geschaffen, der zum Nachdenken und Arbeiten einlädt. Die Wände sind bepflanzt, eine kunstvolle Konstruktion aus blauen Papierschnipseln baumelt von der Decke. Wir gehen weiter in eines der neu eingerichteten Beratungszimmer – ja, ein paar gibt es dann doch noch. Immerhin möchte man nicht jedes Anliegen öffentlich besprechen. Hier können Kunden jeden Schritt im Beratungsgespräch mit Hilfe eines Flatscreens an der Wand verfolgen. Wir kommen an einem kleinen Raum, gefüllt mit Spielsachen, vorbei. Hier haben Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder betreuen zu lassen – nicht nur während der Termine in der Bank, sondern auch wenn sie umliegend noch etwas erledigen. Wir kommen zum Ende der Führung und verabschieden uns. Es ist Zeit für die Pause. Die meisten eilen zur „Mall of Berlin“. Der Foodcourt dort bietet etwas für jeden Geschmack. Gesättigt und ein wenig schläfrig geht es zurück zum Bus.

Eine kurze Fahrt durch die Berliner Innenstadt, dann baut sich auch schon die Gedenkstätte Hohenschönhausen, das ehemalige Stasi-Gefängnis, vor uns auf. Es ist mittlerweile dunkel und grau. Es nieselt kalt in unsere Gesichter. Die Stimmung, eben noch so ausgelassen und fröhlich im Bus, weicht nun immer mehr einer bedrückenden Stille. Vor der Führung haben wir die Möglichkeit, einen kurzen Film zu schauen. Ein kleiner Einblick in das, was vor vielen Jahren hinter genau diesen Mauern passiert ist. Nach dem Film werden wir von einem Zeitzeugen begrüßt und mitgenommen. Ein kurzer Abstecher auf den Hof, dann hinein ins Gefängnis. Immer mehr wird einem bewusst, welche menschlichen Abgründe sich hier aufgetan haben. Der Zeitzeuge berichtet von Folter, Hunger, Isolation und psychischen Manipulationen  des menschlichen Geistes. Der Respekt gegenüber diesem Mann wird immer größer. Er hat so schreckliche Dinge hier erlebt und hat dennoch die Stärke, an diesen Ort zurückzukehren und uns davon zu berichten. Anfangs konnte er das nicht, erzählt er uns. Jeder von uns kann ihm das nachempfinden.

Zurück im Bus. Zunächst eine andächtige Stille. Nach einer Weile dann aber wieder die fröhliche und ausgelassene Stimmung, die schon auf der Hinfahrt unser Begleiter war.

Bericht: Tatjana Hartmann (Bank W 15) November 2016

 

Bild: Annika Fritz