Nun ist er schon in der dritten Woche seines Auslandspraktikum in Beijing (Peking) im Rahmen seiner Berufsbildung zum Industriekaufmann und der Zusatzqualifikation Chinakaufmann (IHK): Lars Böge erzählt vom Alltag, den er während seines Aufenthaltes erlebt und der zum Teil deutlich anders ist als in Deutschland. Während seines Aufenthalts sind ihm viele Unterschiede zwischen Deutschland und China aufgefallen, über die Prägnantesten berichtet er in diesem und einem weiteren Beitrag.

Digitale Infrastruktur

„Die digitale Infrastruktur spielt eine sehr prägnante Rolle im chinesischen Alltag. So gut wie jeder Prozess wurde hier inzwischen digitalisiert – ein Leben ohne Smartphone ist im Grunde nicht mehr möglich. Dominierend sind hier vor allen Dingen die beiden Apps WeChat und Alipay. Beide Apps sind sogenannte Superapps, was bedeutet, dass es in der App kleine weitere Apps gibt für unterschiedlichste Dienste. Diese Dienste sind für viele alltägliche Dinge von großer Bedeutung. Über Alipay und WeChat nutze ich die Metro, gehe einkaufen, rufe mir ein DiDi (chinesisches Uber), entsperre Schließfächer für meine Wertsachen in Bars, bestelle im Restaurant die gewünschten Gerichte etc. Für wirklich fast alles sind diese Apps nötig, da inzwischen kaum Alternativen angeboten werden. Bargeld und Kartenzahlung sind nicht mehr üblich in China und im Supermarkt kann ich nur mit dem entsprechenden Kundenkonto einkaufen.

Man hat ebenfalls die Möglichkeit, sein Gesicht mit dem jeweiligen Konto zu verknüpfen. Dies ermöglicht einem beispielsweise, die Metro zu nutzen ohne das Handy dafür zu brauchen. Das Gesicht wird automatisch beim Betreten der Metro erkannt und dies ebenfalls beim Verlassen der Metro. Je nachdem, wie weit man gefahren ist, wird automatisch der jeweilige Betrag vom Konto abgebucht.

Wer westliche Dienste wie WhatsApp, Instagram, Google etc. in China nutzen möchte, muss sich vorbereiten. Alle diese Dienste sind im chinesischen Internet gesperrt und man kann auf diese nur mit ein paar Tricks zugreifen. Das Nutzen von VPN-Services ist hier eine Möglichkeit, jedoch sind auch viele der großen VPN-Anbieter nicht mehr in China nutzbar – mein VPN aus Deutschland funktioniert bspw. nicht in China. Sobald ich mich mit diesem verbinde, wird meine gesamte Internetverbindung beendet. Für mich funktioniert die Dual-SIM Funktion meines Handys mit einer deutschen und einer chinesischen SIM-Karte, um auf die westlichen Dienste zuzugreifen.“

Infrastruktur / öffentliches Leben

„Allgemein haben die Städte, welche ich gesehen habe (Beijing & Tianjin), eine sehr gute Infrastruktur. Alles ist auf einem modernen Stand und man ist sehr bemüht, diese Instand zu halten. Im Stadtbild ist auffällig, dass sehr viele Arbeiter wie bspw. Gärtner, Straßenarbeiter und Reiniger unterwegs sind, um die Infrastruktur zu pflegen. Im Vergleich zu Deutschland ist ebenfalls auffällig, wie viele Sicherheitskontrollen, ähnlich wie am Flughafen, es gibt. Möchte ich mit der Metro fahren oder in den Park gehen, muss ich eine Sicherheitsschleuse passieren, in welcher ich meinen Rucksack abgeben muss und durch eine Magnetschranke laufe.

Im Stadtbild ebenfalls fest verankert sind die unzähligen Überwachungskameras und Nachbarschaftswachen. In Beijing gibt es kaum Orte, an welchen keine Kameras aufgestellt sind. In der Gegend, in der ich wohne, sind am Straßenrand Kamerapfähle im selben Abstand aufgestellt wie Laternenpfähle. Zusätzlich zu den Kameras gibt es an fast jeder Straßenecke eine Art „Nachbarschaftswächter“ in Uniform mit roter Armbinde. Diese Nachbarschaftswächter sind in der Regel Freiwillige, oftmals Rentner, welche über das Geschehen in ihrem Viertel aufpassen. Ihre Funktion ist vergleichbar mit einer abgeschwächten Version des deutschen Ordnungsamtes.

Auch wenn dies aus deutscher Sicht erstmal gruselig erscheinen mag, scheint das System gut zu funktionieren. Mir ist jedenfalls in den letzten 3 Wochen im Grunde keine Kriminalität begegnet, wie man es aus anderen Städten dieser Größenordnung für üblich kennt und ich habe mich tatsächlich recht schnell an diese Maßnahmen gewöhnt.“

Das Praktikum von Lars – Auszubildender bei der Euroimmun AG – wird finanziell gefördert durch das Förderprogramm AusbildungWeltweit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Jens Oberbeck, April 2024