Am 27.01.2020 hielt der Zeitzeuge Tswi Herschel zum wiederholten Mal einen Vortrag über sein Leben während des Zweiten Weltkrieges.

Tswi Herschel ist 1942 als Kind einer jüdischen Familie in Amsterdam geboren. Die ersten Monate lebte er bei seiner leiblichen Familie, aber aus Angst, dass er während des Holocaust getötet werden könnte, gaben seine Eltern ihn zu der protestantischen Familie De Jongh, die gleichzeitig auch Freunde der Familie waren. Nur durch den Mut der De Jongh`s, ihn vor der nationalsozialistischen Armee zu verstecken, überlebte Herschel die Shoa und damit den Zweiten Weltkrieg. Sein noch so junges Leben war schon geprägt durch Abschiede, Angst, Flucht und den Tod seiner leiblichen Eltern.

Dieses ist nur ein kleiner Teil seiner Lebensgeschichte. Schüler aus der Berufsoberschulklasse der Hanse-Schule hatten die Möglichkeit, Tswi Herschel nach dem Vortrag durch ein Interview besser kennenzulernen. Der Zeitzeuge berichtet seit über 15 Jahren über seine Lebensgeschichte in Bezug auf seinen von seinem Vater erstellten Lebenskalender.

Herschel berichtete, dass es in der Psychologie so sei, dass wenn man von der leiblichen Mutter weggehe oder weggenommen werden würde, dann sei das wie ein Trauma. Dieses Trauma löst bei Kindern eine detaillierte Erinnerung aus. Genau diese Eigenschaft macht seine Geschichte so besonders und emotional. Tswi persönlich habe einige positive Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Er war bei der Familie De Jongh der kleine „Prinz“, wie er erzählte. Sie nahmen ihn liebevoll auf und liebten ihn wie ihr eigenes Kind „ich war sorgenfrei, ich war ein richtiger Teil der Familie“.

Während des Krieges habe Herschel überhaupt nicht geahnt, dass er Jude sei, nur das Ende des Zweiten Weltkrieges habe er sehr bewusst wahrgenommen. (Die Befreiung der Juden durch die kanadische Armee war für ihn ein positives Ereignis.) „Ich saß auf den Schultern meines Vaters und habe die Kanadier die Straße hochkommen sehen und wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich das (heute) noch“, erinnert sich Herschel. Sie seien sehr froh gewesen, haben getanzt und gesungen.

 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges suchte Tswis Großmutter ihn auf und holte ihn zu sich nach Hause. Sein Leben habe sich nun drastisch verändert, da er von liebenswürdigen Eltern in einen Haushalt mit einer schwer traumatisierten Großmutter gekommen sei, die er noch nie zuvor gesehen habe. Trotz der schlimmen Vorgeschichte, ging Tswi Herschel einen bemerkenswerten Lebensweg. Er studierte, wurde Ingenieur, heiratete und hatte den Wunsch seines Vaters, nach Israel zurückzukehren, erfüllt. Er ist bekennender Zionist und setzt sich für eine tolerante Welt sowie für ein Ende der Diskriminierung ein. (Er sagt: „Wenn man seine eigene Geschichte nicht kennt, kann man keine Zukunft haben.“) Der Jugend sowie den Schülern der Hanse-Schule hat er eine aussagekräftige Botschaft mit auf den Weg gegeben: „Die Jungen Menschen müssen Brücken bauen, nicht aus Steinen, Holz oder Stahl, sondern aus Mut“.

 

Jan Schreiber, BOS 19 a, Februar 2020