Nach den ersten Tagen in Peking ging es für die Gruppe aus 8 Auszubildenden und 2 Lehrkräften nun weiter in den Süden Chinas: nach Guiyang in der Provinz Guizhou. Die Provinz galt in früheren Jahren als arme Region Chinas, in der es permanent regnet. Davon hat die Gruppe der Auszubildenden aber nichts gemerkt. Die Stadt Guiyang mit ihren über 6mio Einwohnern verfügt über ein insgesamt modernes Stadtbild mit vielen Hochhäusern, moderner Metro und breiten Straßen.

Und es fiel kein bisschen Regen. Dass es hier grundsätzlich feuchter ist als im sehr trockenen Peking fiel aber sofort auf. Denn man sah viel grün, obwohl der Frühling auch hier gerade erst begann.

Nach einer herzlichen Begrüßung durch unsere Gastgeber am Flughafen checkten wir im Hotel ein und gingen essen: klassisch am Drehtisch, auf dem viele unterschiedliche Gerichte zur Verfügung standen. Das Essen mit Stäbchen machte den wenigsten Mühe. Messer und Gabel standen sowieso nicht immer zur Verfügung. Den folgenden Sonntag verbrachten wir im Qianling Mountainpark in Guiyang und im Museum für nationale Minderheiten Chinas. Hier werden Minderheiten mit ihrer Kultur dargestellt, die in der Region ansässig sind. Auch unsere Gastgeber zählen offiziell zu den Minderheiten, die seit vielen Jahren geschützt und gefördert werden.

Am nächsten Tag lernte die Gruppe den Campus des GuiZhou College of Electronic Science and Technology kennen – den Bildungspartner der Hanse-Schule. Über 10.000 Studierende lernen und leben hier am Campus. Sportstadion, Schwimmhalle, riesige Billardräume und vieles mehr schaffen Freizeitmöglichkeiten – das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass der Campus außerhalb liegt und in der Umgebung kaum weitere Freizeitmöglichkeiten bestehen.

In einer Eröffnungskonferenz der Kooperationswoche zwischen dem College und der Hanse-Schule begrüßten Präsidium und Parteimitglieder, Abteilungsleitungen und Mitarbeiter des International Office unsere Gruppe. Im Rahmen dieser Konferenz bestätigten sowohl das College und die Hanse-Schule ihre weitergehende Kooperation und vereinbarten einen Gegenbesuch in Lübeck.

        

Am folgenden Tag begann der erste Austausch mit den chinesischen Studierenden bei einer gemeinsamen Campusbegehung, die auch in einem spontanen Fußballspiel endete. In Präsentationen über Guiyang/China und Lübeck/Deutschland konnten sich alle Teilnehmer ein Bild über das Leben im jeweiligen Land machen. Kleine Sprachübungen und ein Quiz über Deutschland rundeten den Tag ab. Der Austausch mit den Studenten des Colleges und das Kennenlernen der Kultur waren in diesem Projekt Kernelemente. So wie Norddeutsche sich regelmäßig über das Wetter unterhalten, sprechen Chinesen sehr oft über das Essen. Dieses ist von Region zu Region in China unterschiedlich und sehr abwechslungsreich. So war das Essen natürlich auch Thema in der Präsentation der chinesischen Studenten.

Im Rahmen einer Talentshow stellten die chinesischen Studenten traditionelle Lieder, Kostüme und Tänze vor. Leider wird solch eine Kultur in Deutschland selten gelebt. So blieb es bei unserer Gruppe in der Darbietung des Liedes 99 Luftballons, das zumindest in der englischen Variante auch in China bekannt ist. Aber mit etwas Vorbereitung gelang es auch, ein Lied gemeinsam mit den chinesischen Studenten zu singen.

      

Ein Besuch der Chinesisch-deutschen Industrie 4.0 Trainingsbasis, in der chinesischen Studenten an deutschen Maschinen ausgebildet werden, und die Teilnahme an einem Programmier-Unterricht rundeten das Kennenlernen des Campus ab. Der Eindruck war, dass das College sehr modern aufgestellt war, die Unterrichtsmethoden jedoch von denen in Deutschland abweichen. Dies zeigte sich auch im Sino-German Cooperation-Wettbewerb, in dem unsere Auszubildenden im Team mit chinesischen Studenten an Geschäftsmodellen zu von chinesischen Studenten entwickelten Produkten arbeiteten. Sprachliche Hürden konnten zwar durch Übersetzungsprogramme überwunden werden, jedoch waren die gewohnten Arbeitsweisen von Chinesen und Deutschen unterschiedlich, was die Gruppenarbeit erschwerte. Trotzdem: die Präsentationen ihrer Geschäftsmodelle vor einer Jury aus Investoren ergaben in der Kürze der Zeit klare Möglichkeiten zur Vermarktung der Produkte in Europa, insbesondere Deutschland.

Natürlich darf ein Einblick in das Nachtleben Guiyangs nicht fehlen. Ein Besuch in einer Karaoke-Bar ist ein Muss, insbesondere der Abend im LiveHouse in Guiyang, in dem unterschiedliche Live-Künstler auftraten und chinesische Pop- und Rockmusik sangen, wird wohl lange in Erinnerung bleiben. Klingt diese gut? Was für die meisten Menschen in Europa völlig ungewohnt ist, klingt tatsächlich sehr gut, und so wurde ausgelassen gefeiert. Vielen Dank an Herrn Li Yang, der der Gruppe diesen Abend ermöglichte.

Zum Kennenlernen der Region gehört auch die Erkundung der Umgebung Guiyangs, und so fuhr die Gruppe in den Guian Kirschblütengarten, der die größte Fläche an blühenden Kirschbäumen in Asien darstellt. Die vielen Eindrücke und Temperaturen von 30 Grad sorgten dafür, dass die Gruppe etwas müde wurde. Trotzdem: der Ausflug war insgesamt sehr schön. Vor dem Hintergrund der Kirschblüten und Rapsfeldern fühlte man sich fast wie in der schleswig-holsteinischen Heimat.

     

Ein kleines Highlight wartete noch, bevor die Gruppe die Rückreise antrat: der Besuch eines Street Festivals in Guiyang. Die Gruppe der Auszubildenden wurde zuvor gefragt, ob sie auch etwas darstellen wolle z. B. ein Tanz, ein Lied. Ganz locker! Als dann aber alle am Ort des Festivals ankam, fiel der Blick auf eine große Bühne mit Licht- und Soundanlage… und einen doch offizielleren Charakter. Mit viel Respekt ging es in die Probe, die in Gedanken an den eigentlichen Auftritt bereits Überwindung kostete. Aber es gab kein Zurück. Nach offiziellen Eröffnungsreden und professionellen Auftritten anderer Sänger ging es mit 99 Luftballons auf die Bühne – und das vor mehreren Hundert Zuschauern. Und wie war es? Nena half etwas mit, der Auftritt gelang und die Stimmung unter den Zuschauern war großartig. Solch einen Auftritt hatte kein Auszubildender zuvor erlebt. An solchen Aktivitäten wächst man. Und auch diese Erinnerung wird bleiben. Gleichzeitig wurden der Auftritt und das anschließende Interview mit den Azubis gestreamt. So hatte auch die Tourismusbehörde etwas davon, denn wenn sogar Deutsche in Guiyang sind und positiv über die Stadt und die Provinz berichten, dann lässt sich die Region gut als Urlaubsort vermarkten. Gerne wäre die Gruppe noch länger auf dem Street Festival geblieben. Leider fielen die Temperaturen von kurz zuvor 30 Grad auf nur noch 3 Grad und die Kälte zog in den Körper. So wurde der letzte Abend in einem Pub verbracht.

      

Nach insgesamt 12 Tagen fuhr die Gruppe mit vielen Eindrücken wieder zurück nach Deutschland. Ziele der Reise waren vor allem die Entwicklung interkultureller, aber auch unternehmerischer Kompetenzen. Sie diente auch der Persönlichkeitsentwicklung insgesamt und war eine besondere Projektfahrt, die bisher einzigartig an der Hanse-Schule war. In Planung ist eine weitere Projektfahrt im kommenden Jahr, zuvor sollen aber unsere chinesischen Gastgeber die Hanse-Schule besuchen. Wir freuen uns darauf, unsere herzlichen und engagierten Gastgeber bald an der Hanse-Schule begrüßen zu dürfen. Vielen Dank für die besonderen Erlebnisse an Li Yang, Zhang Renhua (Julia), Wu Qidi (Oliver), Hanting (Tammia) und Liane. Ihr wart klasse!

Jens Oberbeck, April 2025